Thankgrim
Wieso gibt es ein Thankgrim-Denkmal in Hüsten?
Wie Bürgersinn und Heimatverbundenheit Geschichte sichtbar machen können.
Eigentlich beginnt die Geschichte Thankgrims in Rom.
Und das kam so:
Am 25. April des Jahres 799 wird Papst Leo III. während einer feierlichen Prozession überfallen und vom Pferd gerissen. Er kann sich in ein nahegelegenes Kloster retten und aus Rom entkommen. Der Pontifex sucht Schutz bei Frankenkönig Karl I., der sich gerade in seiner Pfalz Paderborn aufhält. Dort wird der Papst mit gebührender Ehre empfangen. Im November 799 stellt Karl I. den Papst unter den Schutz einer Eskorte aus fränkischen Adeligen, die gleichzeitig den Auftrag hat, die Ursache des
Anschlags in Rom zu klären.
Im November 800 weilte Karl I. selbst in Rom und besuchte Weihnachten den Gottesdienst in der Peterskirche. Überraschend krönte der mächtigste Führer der Christenheit in einer feierlichen Zeremonie den Herrscher des Frankenreichs zum Kaiser. Das war ein Deal!
Im Jahr 804 hat Kaiser Karl I., der einen Großteil seines Lebens auf dem Pferderücken verbrachte, nach über 30-jährigen Kämpfen die letzten Sachsen und Westfalen gewaltsam bekehrt. Zuvor hatten Karls Heere die Eresburg bei Marsberg und die von Germanen verehrte Irminsul nahe dem
Teutoburger Wald vernichtet. Karl I., der Große, war nicht nur erfolgreicher Staatsgründer und grausamer Heerführer, sondern zeitlebens beseelt von dem Wunsch, Schule und Bildung in seinem riesigen Reich zu verbreiten. Karl I., der Große (groß war er tatsächlich, nicht nur im übertragenen Sinn, sondern er überragte die Menschen seinerzeit um Haupteslänge) war die lebende Vorwegnahme der These des Abtes Abbo von Fleury (940 – 1004):
Nihil in vita iucundius quam discere aut docere.
"Nichts im Leben ist erfreulicher als zu lernen und zu lehren."
Leider hat es Karl I. nicht geschafft, Lesen und Schreiben hinreichend zu erlernen. Ebensowenig beherrschte er die Umgangssprache seiner vielfältigen, gebildeten Berater in allen Teilen seines Reiches: Latein.
Kaiser Karl I. hatte dazu einfach keine Zeit!
Keine Persönlichkeit hat für das Zusammenwachsen Europas, die schulische Entwicklung, die Rechtsordnung, das Agrarwesen, um nur einige Aspekte seines umtriebigen Wirkens zu nennen, mehr getan als Karl I., der Große.
Wie wir im folgenden Abschnitt sehen werden, hatte Karl I. unmittelbaren Einfluss auf die Verbreitung der christlichen Lehre im Sauerland.
Liudger, der Missionar Westfalens,
wurde um 742 in der Nähe von Utrecht als Sohn einer christlichen Adelsfamilie geboren. Dort erhielt er seine erste schulische Erziehung. Von 767 bis 772 war er Schüler des angelsächsischen Abtes und Theologen Alkuin in York, dem damaligen geistlichen und kulturellen Zentrum Nord-Englands. Abt Alkuin wurde Leiter der Aachener Hofschule und gilt als der „Kultusminister“ Kaiser Karl I. Liudger missioniert um 784 im Gebiet der Ems in Friesland. Wegen der Sachsenkriege floh er nach Italien und lebte bis 787 in Rom und Monte Cassino. 792 ernannte ihn König Karl I. persönlich zum
Missionar Westfalens.
794 gründete Liudger das Kloster Mimigeraford, später Monastere genannt, das heutige Münster und wird dort der erste Bischof. Von seiner Missionstätigkeit in Westfalen künden noch heute zahlreiche Kirchen, Plätze- und Straßennamen. 799 gründete Liudger das Kloster Werden an der
Ruhr, das als wesentliche Aufgabe ein Scriptorium, eine Schreibwerkstatt und Schule erhielt.
Dies ist ein bemerkenswerter Hinweis auf die Urkunde zu Thankgrims bedeutender Schenkung.
Liudger starb nach Jahren hingebungsvoller Missionsarbeit im Jahr 809 in Billerbeck bei Münster
Um die Jahreswende 801 / 802 vollzog sich in dem kleinen Dorf Hustene an der Ruhr eine brutale Gewalttat, die in einem Akt besonderer menschlicher Größe ein überraschendes Ende fand. Von Hass verfolgt, erschlägt ein Dorfbewohner einen hoffnungsvollen jungen Mann: Bosoko, Sohn des
Thankgrim. Der trauernde und verzweifelte Thankgrim sucht Rat und Beistand der Missionare um Liudger. Inzwischen tagt das örtliche Freigericht, bestehend aus freien Bauern, und verurteilt den Mörder Bruniko nach germanischem Recht zu einem Sühnegeld, dem Wergeld. Aufgrund der
Schwere des Falls, Totschlag, musste der Täter sein gesamtes Besitztum, „Erbgut“, wie es in der Urkunde heißt, als Entschädigung an Thankgrim abtreten.
Thankgrim hatte damit Genugtuung erfahren, sein Seelenheil gerettet und den Dorffrieden gewahrt. in einem überaus gro.zügigen Willensakt verzichtet er auf das Hab und Gut des Mörders, Land und Wald, Haus und Hof und alles bewegliche Gut einschließlich Vieh und schenkt es „in die Hände des Abtes Liudger“, wie es in der Urkunde steht. Damit erhält Hustene die wirtschaftliche Grundlage für eine Pfarrstelle und den Bau einer kleinen Kirche, eine der ersten im Sauerland. Form und Stil der Schenkungsurkunde vom 13. Januar 802 weisen unzweifelhaft auf einen hoch gebildeten, juristisch versierten Urheber hin. Die Urkunde muss dem unmittelbaren Diktat Liudgers entsprungen sein.
Damit ist der Zusammenhang Kaiser Karl I., des Großen, des Missionars und Bischofs Liudger und des Kleinbauern Thankgrim und dessen beispielloser Großzügigkeit nachgewiesen.
Thankgrim hat eine ehrenvolle und nachhaltige Würdigung durch die Hüstener Bürger, die Kirche und die Öffentliche Verwaltung verdient!
Hüsten, den 01. Februar 2019